„Ursprünglich war es gar nicht geplant, dass wir COVID-Patienten behandeln“

Interview mit Prof. Dr.-Ing. Christoph Benk und Jörg Ronde, Geschäftsführer der Resuscitec GmbH

Prof. Dr.-Ing. Christoph Benk und Jörg Ronde, Geschäftsführer der Resuscitec GmbH
„Ursprünglich war es gar nicht geplant, dass wir COVID-Patienten behandeln“ - Interview mit Prof. Dr.-Ing. Christoph Benk (re.) und Jörg Ronde (li.), Geschäftsführer der Resuscitec GmbH

Bildnachweis: Resuscitec GmbH.

Die Resuscitec GmbH wurde im Jahr 2010 mit der Vision gegründet, die bestehenden Grenzen der Wiederbelebung so weit wie möglich zu verschieben. Heute ermöglicht die vom Unternehmen entwickelte CARL-Therapie eine deutliche Verbesserung der Ergebnisse von Wiederbelebungen, selbst langanhaltendem Herz-Kreislaufstillstand. Auch bei der Behandlung von COVID-Patienten kam das CARL-System bereits erfolgreich zum Einsatz.

VC-Magazin: Resuscitec wurde 2010 gegründet. Was waren die Meilensteine in der Unternehmensentwicklung?
Ronde: Die Resuscitec GmbH wurde 2010 als Spin-off des Universitätsklinikums Freiburg gegründet. Zwei Jahre später kam neben einem strategischen Partner mit dem Zukunftsfonds Heilbronn der erste Venture Capital-Investor an Bord, darüber hinaus gelang es uns, erste Fördermittel einzuwerben. Der nächste Meilenstein war die Zertifizierung nach DIN 13485. Wichtig war für uns immer, ein transportables System zu schaffen. Von daher war das Unterschreiten der 20-kg-Marke ein weiterer wichtiger Schritt für uns. Inzwischen liegen wir sogar nur noch bei 18 kg. CARL soll ja nicht nur stationär eingesetzt werden, sondern auch mobil in Rettungsfahrzeugen und von Notärzten. Wichtige Meilensteine waren natürlich auch die CE-Zulassung im Jahr 2020 sowie die Behandlung erster Patienten.

VC-Magazin: Wer sind Ihre aktuellen Investoren?
Ronde: Neben dem bereits erwähnten Zukunftsfonds Heilbronn und einem strategischen Investor haben wir den Fonds der Universität Freiburg, einen institutionellen Fonds sowie das Gründer- und Managementteam an Bord.

VC-Magazin: Können Sie bitte kurz die Technologie und das Geschäftsmodell erläutern?
Benk: Resuscitec wurde mit der Vision gegründet, die heute bestehenden Grenzen der Wiederbelebung so weit wie möglich zu verschieben. Die Ergebnisse traditioneller Reanimationsmaßnahmen außerhalb von Krankenhäusern sind katastrophal, wenn man die Statistik betrachtet. Nur drei bis fünf Prozent der Betroffenen überleben, und ein Großteil davon mit neurologischen Schäden. Die von uns entwickelte CARL-Therapie ermöglicht eine deutliche Verbesserung der Ergebnisse von Wiederbelebungen auch nach langanhaltendem Herz-Kreislaufstillstand. Sobald unsere Maschine angeschlossen wird, übernimmt sie die komplette Herz-Lungen-Funktion. Hierzu gibt es auch einen ersten klinischen Proof of Concept mit beeindruckenden Ergebnissen im Rahmen einer Anwendungsbeobachtung. Unsere Umsätze generieren wir durch den Verkauf des CARL-Systems, bestehend aus Hauptkomponenten wie Controller, Cooler und MOX, sozusagen als Hardware. Daneben sollen Verbrauchsmaterialien wie z. B. Schlauchsätze einen fortlaufenden Umsatz generieren. Das globale Marktpotential wird mit mehr als 3,8 Mio. Patienten pro Jahr eingeschätzt.

VC-Magazin: Wie stark ist das Resuscitec-Team heute?
Ronde: Wir sind aktuell 52 Mitarbeiter, im Laufe des Jahres werden wir auf ca. 60 Kollegen anwachsen, 2022 sollen es dann 80 sein.

VC-Magazin: Sie haben im vergangenen Jahr mit dem von Ihnen entwickelten CARL-System aktiv bei der Bekämpfung von COVID-19 mitwirken können. Inwieweit hat Corona Ihre Geschäftsentwicklung beeinflusst?
Benk: Ursprünglich war es gar nicht geplant, dass wir COVID-Patienten behandeln. Weil der Einsatz im Krankenhaus aber möglich ist, kamen die Konsolen auch bei Covid-19-Patienten zum Einsatz, u. a. in den Kliniken von Freiburg, Heilbronn, Linz und Regensburg, übrigens auch im Heilbronner SLK-Klinikum am Gesundbrunnen, wo bereits Menschenleben mit CARL gerettet werden konnten.

VC-Magazin: 2012 beteiligte sich der Zukunftsfonds Heilbronn erstmals  an Resuscitec. Es folgten vier weitere Runden, zuletzt mit weiteren internationalen Investoren. Wie eng arbeiten Sie mit Ihren Investoren zusammen – abgesehen vom Financial Reporting?
Ronde: Wir haben einen sehr engen Draht zu unseren Investoren. Deshalb beschränkt sich unser schriftliches Monats-Reporting auf einen One-Pager, mehr ist aktuell nicht nötig. Darüber hinaus gibt es mit einzelnen Investoren regelmäßig individuelle Jour-Fix Calls. Jeder Gesellschafter hat andere Bedürfnisse, auf die man in solch einem Gespräch am besten eingehen kann. Mit Herrn Prof. Dr. Erich Reinhardt haben wir darüber hinaus einen Beiratsvorsitzenden, der mit seiner langjährigen MedTech-Erfahrung im Konzern und aber gerade auch im Start-up-Segment unser Sparringspartner und Coach ist. Wir, Prof. Reinhardt, Prof. Benk und ich, sind ein sehr gutes Dreier-Team.

VC-Magazin: Sie haben vier Finanzierungsrunden absolviert. Wie schwierig war die Kapitalsuche in den vergangenen 10 Jahren?
Benk: Es gab natürlich – wie in fast allen Bereichen des Geschäftslebens – sowohl Höhen als auch Tiefen. Letztlich war die Kapitalsuche aber nie ein allzu großes Thema, weil unsere Investoren immer an das Produkt geglaubt haben und über das Netzwerk zu den richtigen Zeitpunkten weitere Investoren hinzukamen. Einige Kapitalzusagen waren auch eng an eine Meilensteinerreichung geknüpft, die wir einhalten konnten.

VC-Magazin: Sie haben neben Venture Capital auch Fördermittel über das KMU-Innovativ-Programm und über das Horizon-Programm des Bundes erhalten. Wie beurteilen Sie die Förderlandschaft in Deutschland für Unternehmen der Life Sciences?
Ronde: Resuscitec hatte hier Glück! Der ehemalige Geschäftsführer Joachim Wilke kannte sich hiermit sehr gut aus, hat die richtigen Projekte adressiert und die Zusagen für Mittel aus den von Ihnen erwähnten Programmen für die Firma einwerben können. Insgesamt erachten wir die Förderlandschaft in Deutschland für gut. Ich habe aber die Befürchtung, dass durch den schnellen Zugriff von gut vernetzten großen Playern oftmals zu wenig Mittel für kleine Start-ups bleiben.
Benk: Für Start-ups ist dieser Prozess wirklich nicht einfach. So einen Antrag schreibt man auch nicht mal schnell an einem Nachmittag. Hierzu bedarf es viel Knowhow oder fachkundiger Berater, die sehr teuer ist. Wenn man diesen Prozess jedoch einmal erfolgreich zu Ende gebracht hat und die Zusage auf dem Tisch liegt, so ist es ein tolles Gefühl und eine wirkliche Hilfe!

VC-Magazin: Wo sehen Sie Resuscitec in zwei und in fünf Jahren, was sind die nächsten Entwicklungsschritte?
Ronde: Der Fokus für 2021 liegt auf der operativen Vorbereitung des Markteintritts, der für 2022 geplant ist, sowie auf dem erfolgreichen Abschluss der aktuell laufenden PMCF-Studie. In zwei Jahren sehe ich uns bereits sehr aktiv im Roll-out unserer Produkte in Europa, in fünf Jahren dann auch international in den USA und in Asien.

VC-Magazin:  Vielen Dank für das Interview!

Zum Interviewpartner:

Prof. Dr.-Ing. Christoph Benk und Jörg Ronde sind Geschäftsführer der Resuscitec  GmbH, mit Sitz in Freiburg und Heilbronn.