Förderung eingeschränkt – Aufschrei in der Start-up-Szene

Invest-Zuschuss für Wagniskapital

Förderung eingeschränkt – Aufschrei in der Start-up-Szene
Förderung eingeschränkt – Aufschrei in der Start-up-Szene

Bildnachweis: © tiquitaca — stock.adobe.com, © Sponsoo, © Max Jurisch_Companisto, © FunderNation, © Business Angels Netzwerk Deutschland.

Um für Start-ups in der Anfangsphase verstärkt privates Kapital zu mobilisieren, rief das Wirtschaftsministerium (BMWK) im Jahr 2013 den Invest – Zuschuss für Wagniskapital ins Leben. Dieser unterstützte Business Angels bislang bei förderfähigen Investments ab 10.000 EUR bei Erst- und Folgefinanzierungen. Der Investor erhält 20% des Anteilspreises als Erwerbszuschuss, bei einem Wandeldarlehen 10% des Ausgabepreises zurückerstattet. Pro Kalenderjahr kann ein Investor Zuschüsse von bis zu 500.000 EUR erhalten, pro Start-up sind bis zu 3 Mio. EUR im Jahr zuschussfähig. Um eine gegebenenfalls anfallende Steuer beim Verkauf zu kompensieren, besteht Anspruch auf einen Exit-Zuschuss in Höhe von 25% des Veräußerungsgewinns, solange dieser 80% des geförderten Ausgabepreises nicht übersteigt. Nach einer verhaltenen Anlaufphase wurde das Programm bei Gründern und Business Angels immer beliebter und gehört mittlerweile zu einem festen Baustein der deutschen Start-up- und Förderlandschaft. Laut BMWK wurden bislang 15.000 Investments bewilligt, bei denen Kapitalgeber durchschnittlich 75.000 EUR investierten. Doch zum 1. März 2022 wurde die Förderung quasi über Nacht eingeschränkt. Da die Antragszahlen und Bewilligungen weiter stiegen, wäre das im Bundeshaushalt gesetzte Budgetlimit voraussichtlich Mitte 2022 erreicht worden, das Programm wäre gestoppt worden. Um gegenzusteuern, sollten die Ausgaben gestreckt werden. So wurde die Mindestinvestitionssumme auf 25.000 EUR erhöht, der Zuschuss bei Wandeldarlehen auf 10% gesenkt, und Anschlussfinanzierungen werden nicht mehr gefördert. Ob und wann es weitere Anpassungen gibt, ist aktuell ungewiss.

Motivation für Smart Money

Die Kritik folgte auf dem Fuß, manche sehen die Innovationskraft und Start-up-Branche in Deutschland gefährdet. „Das erfolgreiche Programm hätte schon lange mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden können“, so Andreas Kitzing, Gründer und CEO der Sponsoringplattform Sponsoo. Die kurzfristige Ankündigung der Änderungen stelle Start-ups und Investoren vor große Planungsschwierigkeiten. Er selbst konnte bei Sponsoo mit dem Zuschuss vor Jahren viele Business Angels mit „Smart Money“ an Bord bringen, welche entscheidend

Andreas Kitzing, Sponsoo
Andreas Kitzing, Sponsoo

zum Erfolg der Plattform beitrugen. „Gerade in der frühen Phase ist der Zuschuss ein wirkungsvolles Mittel, um Investoren zu motivieren“, so Kitzing. Sollte der Invest-Zuschuss insbesondere für kleinere Tickest wegfallen, sieht Kitzing die heutige Gründergeneration deutlich benachteiligt. Die durch die Pandemie und den jüngst ausgebrochenen Krieg in Osteuropa für Start-ups ohnehin angespannte Lage werde durch den Einschnitt weiter verschärft. In diesem Zusammenhang sieht er die Grünen und die FDP in der Pflicht, die sich in ihren Wahlprogrammen klar zur Start-up- und Hightechförderung bekannt haben. Kitzing fordert, dass die bisherige Form des Programms wiederhergestellt und das Haushaltsbudget entsprechend angepasst wird.                     

Kleine Tickets benachteiligt

Dass ausgerechnet kleine Tickets nicht mehr bezuschusst werden sollen, sieht auch der Bundesverband Crowdfunding kritisch. „Für unseren Gründer- und Start-up-Standort ist es 

Tamo Zwinge, Companisto
Tamo Zwinge, Companisto

wichtig, mehr Menschen an das Thema Angel Investment heranzuführen“, sagt Tamo Zwinge, Geschäftsführer von Companisto. „Für den Nachwuchs bei den Business Angels sind 10.000 EUR eine typische Einstiegsgröße“, so Zwinge. Auf den deutschen Crowdfunding-Plattformen sind über 1000 dieser sogenannten Virgin Angels aktiv. Sobald sie mit den ersten Tickets Erfahrungen gesammelt haben, folgen häufig weitere Beteiligungen. „Jetzt durch höhere Einstiegsbeträge und den Ausschluss von Folgefinanzierungen die Anreize zu kappen kann das Frühphasenökosystem um Jahre zurückwerfen“, so Zwinge. 

Fragwürdiges Signal

„Den Fokus auf die großen Tickets zu legen ist langfristig die falsche Strategie“, sagt auch Uli Fricke, Geschäftsführerin der FunderNation GmbH. Für neue Angels mit kleinen Tickets sei der Zuschuss ungleich bedeutsamer als für professionell aufgestellte Investoren, die ohnehin jedes Jahr mehrere Start-ups finanzierten. Für diese sei der Zuschuss kaum

Uli Fricke, FunderNation
Uli Fricke, FunderNation

entscheidend für ein Investment, sondern eher ein Mitnahmegeschäft. „Statt die Förderung bei den kleinen Tickets zu streichen, hätte man zum Beispiel die maximale Fördersumme auf 250.000 EUR pro Jahr senken können“, so Fricke. Dadurch würden mehr Investments realisiert und damit auch mehr Start-ups gefördert. Das sei umso wichtiger, wenn das Haushaltsbudget begrenzt ist. „Besonders Start-ups im Deeptechbereich sind auf kleinere Tickets angewiesen, solange sie nicht die Voraussetzungen für größere Runden erfüllten“, sagt Fricke. Es gehe auch um das politische und gesellschaftliche Signal: „Wollen wir junge Unternehmen und privates Kapital in der Breite fördern, oder wollen wir einen kleinen, geschlossenen                                                      Zirkel von etablierten Investoren unterstützen?“ 

Wunsch nach Planungssicherheit

Auch Dr. Roland Kirchhof vom Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND) hätte sich eine Konsultation der Betroffenen gewünscht, doch äußert er Verständnis für die Anpassung. „Angesichts des fast beschlossenen Haushalts 2022 und der aktuellen Krisensituation, die andere Themen in den Fokus rückt, war das die sinnvollste Lösung.“

Dr. Roland Kirchhof, Business Angels Netzwerk Deutschland
Dr. Roland Kirchhof, Business Angels Netzwerk Deutschland

Die kurzfristigen Änderungen seien ärgerlich, doch im Sinne einer effektiven Start-up-Förderung sei es richtig, im Zweifel die größeren Tickets zu bezuschussen. Die eigentliche Gefahr für den Zuschuss betreffe nicht das Jahr 2022, sagt Kirchhof, sondern die Fortsetzung des Programms ab dem Jahr 2023, weil es im Hinblick auf das Beihilferecht der EU nach zehn Jahren gerade einer Evaluation unterzogen wird, deren Ergebnis noch nicht feststehe. Einigkeit besteht darüber, dass der Invest-Zuschuss eine Erfolgsgeschichte ist und einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Gründer- und Hightechstandorts leistet. Eine Fortsetzung zu den alten Bedingungen mit einem aufgestockten Budget wäre aus Sicht von Gründerteams und Business Angels wünschenswert. „Die Zeiten sind turbulent, und wir wollen uns auf unsere Unternehmen konzentrieren“, sagt Kitzing, „Planungssicherheit und fortgesetzte Rückendeckung aus der Politik würden uns dabei helfen.“