“Viele Gründer müssen lernen, sich zu erden”

Interview mit Benjamin Heese, CEO Sensit! (ehem. Feelbelt)

Interview mit Benjamin Heese, CEO Sensit! (ehem. Feelbelt)
Interview mit Benjamin Heese, CEO Sensit! (ehem. Feelbelt)

Bildnachweis: (C) Sensit!, Dubai Economy and Tourism.

Die Gitex Global ist die weltweit größte Tech- und Start-up-Veranstaltung. Sie versammelt mehr als 5.000 Unternehmen und über 100.000 Besucher aus 170 Ländern. Als Knotenpunkt zwischen Europa, Asien und Afrika bietet die in Dubai stattfindende Messe einen Überblick über die verschiedenen Start-up-Ökosysteme, Innovationen und technologiegetriebenen Revolutionen der Digitalisierung. In der Interviewreihe „Gitex Global 2022“ berichten Experten, Gründer und Investoren von ihren Eindrücken und werfen einen Blick in die digitale Zukunft.

VC Magazin: Herr Heese, Sie haben einen Hightech-Gürtel als Produkt für Gamer entwickelt. Wie genau kamen Sie auf diese Idee?

Heese: Tatsächlich haben wir ein echtes Genie in unserem Kreis: Jens Hansen steht kurz vor seinem 80. Geburtstag und ist ein klassischer Erfinder. Er hat sich lange damit beschäftigt, wie man Musik emotionaler gestalten kann und sich die Frage gestellt: ,,Warum ist ein Live-Konzert so viel besser als das gleiche Konzert zu Hause im Fernsehen?” Es ist eigentlich ziemlich einfach, denn einer der Sinne fehlt zu Hause – das Fühlen. Und so hat Jens angefangen, einen Algorithmus zu entwickeln, der alle Frequenzen fühlbar macht. Und das ist die Magie bei der Sache. Gemeinsam mit ihm sowie zwei weiteren Gründern haben wir verschiedene Stärken zusammengebracht und eine komplette Firma aufgebaut. Heute integrieren wir haptisches Feedback in allen möglichen Consumer Goods sowie Industrieprodukten und verbessern damit bereits bestehende Produkte deutlich.

VC Magazin: Wie hat sich Ihr Projekt in der vergangenen Zeit entwickelt?

Heese: Zu Beginn haben wir inhouse ein Hardware Produkt entwickelt und auf den Markt
gebracht: den Feelbelt. Vor allem, um erst einmal zu zeigen, was wir eigentlich machen. Und das war zunächst das Fühlbarmachen von Sound. Wenn ich erzähle, dass wir einen
Algorithmus gebaut haben, kann damit keiner etwas anfangen. Mittlerweile hat sich, auch
durch den Wandel von Facebook zu Meta, ein breiteres Verständnis davon entwickelt. Im
weiteren Verlauf haben wir eine Firma übernommen, die auch im Haptic-Bereich unterwegs
ist. Aktuell stellen wir unser Geschäftsmodell breiter auf und positionieren uns als Haptic
Feedback Enabler. Im Zuge dessen befinden wir uns momentan mitten im Rebranding und
werden künftig Sensit! heißen.

VC Magazin: Wie haben Sie sich, besonders zu Beginn, finanziert? Und wie ergeht es Ihnen aktuell in der Zeit der Krisen?

Heese: Am Anfang haben wir das komplette erste Jahr gebootstrapped. Mit dem Kapital
konnten wir ein eigenes Hardware Produkt entwickeln. Und das ist eine der wichtigsten
Botschaften, die ich für mich mitgenommen habe: Sei so lange wie möglich unabhängig von externen Dritten. Als das Produkt stand, benötigten wir frisches Kapital und konnten in einer Pre-Seed-Runde eine knappe halbe Million Euro einsammeln. In den USA haben wir eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um unsere Traction zu testen. Im letzten Jahr haben wir mehr als 1 Million Euro von Business Angels geraised und sind derzeit dabei, einen höheren Millionenbetrag abzuschließen.

VC Magazin: In einem Interview mit unserem Schwestermagazin StartingUp hatten Sie
erwähnt, dass Sie eine Studie vorbereiten, bei der Menschen mit einer Hörschädigung
erstmals die Möglichkeit haben werden, das gesamte Frequenzspektrum von 10 bis 20.000 Hertz zu fühlen. Wo stehen Sie mit diesem Projekt?

Heese: Wir kooperieren hierfür mit der NHS in London, die unsere Technologie für die
Studie nutzt. Ziel ist es, taube Kinder beim Erlernen von Kommunikation zu unterstützen. Wir haben das Ziel, unsere Technologie auch für gute Zwecke einzusetzen, auch wenn sich
solche Anwendungsfelder schwerer monetarisieren lassen.

VC Magazin: Im vergangenen Dezember haben Sie das Start-up GHOST – feel it. übernommen. Welche Effekte konnten Sie damit erreichen?

Heese: Wir konnten unser Geschäftsmodell weiterentwickeln und größer denken. Mit dem
Team haben wir zudem Fachkräfte hinzugewonnen, die uns weiterbringen und zum Haptic
Enabler werden lassen.

VC Magazin: Welche Stimmung nehmen Sie aktuell auf dem Markt wahr und besonders in
Ihrer Branche?

Heese: Haptic Feedback ist ein Bereich im Deeptech-Segment, der aktuell unabhängig von
den Krisen wächst. Meta hat erst kürzlich einen Wettbewerber aus Berlin aufgekauft. Anfang des Jahres hat zudem ein großer Hersteller für haptische Handschuhe den Besitzer gewechselt. Das Momentum ist demnach sehr positiv. Unabhängig davon hilft die Krise derzeit jedem Gründer, sich ein bisschen zu erden und wieder auf ein bodenständiges Level zurückzukommen.

VC Magazin: Welche Learnings nehmen Sie aus Ihrer bisherigen Gründererfahrung mit?

Heese: Ich würde einiges anders machen. Ich würde zum Beispiel meine kompletten
Verträge anders aufsetzen. Das lernte ich, als ein Gründer zwischenzeitlich aus dem
Unternehmen ausgeschieden ist.

GITEX GLOBAL 2022
GITEX GLOBAL 2022

VC Magazin: Warum war es für Sie wichtig, auf der Gitex Global mit dabei zu sein?

Heese: In Dubai, oder den Emiraten allgemein, geht es darum, Dinge zu erleben. Hier wird
die Metaverse City aufgebaut. Demnach finden wir hier viele potenzielle Kunden. Auch sehe
ich Dubai als bislang unterschätzten Markt, der eine extreme Kaufkraft hat.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.

Mehr zum Interviewpartner:
Benjamin Heese ist CEO und Co-Gründer von Sensit! (ehem. Feelbelt).

Sensit! ist eine Haptic Technology-Plattform, die für Consumer Produkte und Industrielösungen haptisches Feedback (Vibrationen) für die Human-Machine-Interaction
entwickelt. Durch die Integration des Fühlen wird Experience realistischer und die
emotionale Wahrnehmung erheblich gesteigert. Hierfür hat Sensit! einen patentierten
Algorithmus entwickelt, der Software, Hardware und den Menschen miteinander verbindet.