Bildnachweis: NRW.BANK, TH Nürnberg, Evonik, VentureCapital Magazin.
Die Rolle von Corporate Venture Capital (CVC) im deutschen Start-up-Ökosystem hat in den letzten Jahren signifikant an Bedeutung gewonnen. Mit rund 130 aktiven CVC-Gesellschaften, die über 25% der deutschen Venture Capital-Investments ausmachen, hat sich Corporate Venture Capital zu einem entscheidenden Motor für Innovation und Wachstum in Deutschland entwickelt. Doch wie funktionieren die Beziehungen und Prozesse zwischen CVCs und ihren Stakeholdern? Eine aktuelle Studie des Arbeitskreises Innovationsfinanzierung und Venture Capital der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft liefert aufschlussreiche Einblicke.
Aufbauend auf den umfassenden vertraulichen Diskussionen im Arbeitskreis der letzten Jahre zielte die Befragung von 21 Corporate Venture Capitalisten und zehn institutionellen Wagniskapitalgebern darauf ab, ein tiefgehendes Verständnis für die Funktionsweise von CVC-Gesellschaften zu gewinnen und Best Practices transparent zu machen. Dabei wurden insbesondere die Beziehungen zu Mutterunternehmen, Portfoliounternehmen und Syndizierungspartnern analysiert.
Co-Investments mit Venture Capitalisten beliebt
Im Rahmen der Beteiligungsanbahnung wird zwischen Lead- und Co-Investoren
unterschieden. Lead-Investoren verhandeln die wesentlichen Finanzierungsbedingungen
und steuern den Beteiligungsprozess maßgeblich. Co-Investoren hingegen unterstützen
die Finanzierung, ohne die zentralen Parameter aktiv zu gestalten. Die Studie zeigt, dass CVCs typischerweise nicht primär als Lead-Investoren auftreten, sondern häufiger die Rolle des Co-Investors einnehmen. Im Gegensatz dazu agieren rund 60% der befragten Venture Capital-Gesellschaften immer als Lead-Investoren. Diese dominantere Position ermöglicht es ihnen, Kernparameter der Finanzierung – einschließlich der Unternehmensbewertung – festzulegen und eine starke Stimme in den Unternehmensgremien einzufordern.

Corporate Venture Capitalisten hingegen zeigen sich hier zurückhaltender: Nur etwa 20%
der befragten CVC-Gesellschaften bestehen stets auf ein festes Mandat (Board Seat) in
den Gremien der Portfoliounternehmen. Öfter als Wagniskapitalgeber begnügen sie sich
mit einer Beobachterrolle (Observer). Dieser Ansatz erlaubt es ihnen, flexibel und partnerschaftlich aufzutreten, ohne die Entscheidungsautonomie der übrigen Investoren oder der Gründerteams stark einzuschränken.
CVCs bringen Mehrwert ins Investmentkonglomerat
Die Zusammenarbeit zwischen CVC-Gesellschaften und Syndizierungspartnern spielt eine zentrale Rolle für den Erfolg von Investitionen. Laut der Befragung halten 90% der Syndizierungspartner CVCs für essenziell für den Innovations- und Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Professionalität und Marktkompetenz deutscher CVCs haben sich in den letzten zehn Jahren deutlich gesteigert und werden von den befragten Partnern einhellig positiv bewertet. Besonders geschätzt wird die Markt- und Technologiekompetenz der CVCs. Diese Expertise ist nicht nur in der Due Diligence-Phase von Bedeutung, sondern auch über die gesamte Beteiligungsdauer hinweg. CVC-Gesellschaften bereichern das Investmentsyndikat durch tiefgehende Brancheneinblicke und ihre Fähigkeit, technologische Bewertungen fundiert zu unterstützen. Damit tragen sie maßgeblich zu besseren Investitionsentscheidungen bei. Die Studie zeigt, dass sich CVCs und Venture Capitalisten in ihren Rollen ideal ergänzen. Während Letztere durch ihre Erfahrung im Aufbau und der Skalierung von Start-ups eine Führungsrolle übernehmen, bringen Erstere spezifisches Branchenwissen und strategische Netzwerke ein. Diese komplementären Stärken schaffen für Start-ups eine ausgewogene Unterstützung, die sowohl finanzielle als auch technologische und strategische Aspekte abdeckt.
Beteiligungsvereinbarungen meist marktüblich
CVCs haben sich bei Beteiligungsverhandlungen mittlerweile stark an die Standards von Venture Capitalisten angepasst. Insbesondere bei der Ausgestaltung von Cashflow-Rechten
wie Liquidationspräferenzen oder Anti-Dilution-Klauseln agieren sie marktüblich. Exklusive
Schutzrechte („Protective Provisions“), die allein CVC-Gesellschaften begünstigen, sind
hingegen selten. Auch Nebenvereinbarungen mit Mutterunternehmen – etwa in Form von
Lizenzverträgen, Service Agreements oder Kooperationsverträgen – spielen eine untergeordnete Rolle. Wenn solche Vereinbarungen getroffen werden, geschieht dies meist unabhängig von den eigentlichen Beteiligungsdokumenten. Diese Entwicklung widerlegt
die Annahme, dass CVCs stark auf exklusive Sondervereinbarungen setzen. Stattdessen fördern sie durch transparente und professionelle Praktiken eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Investoren.
Fazit
Corporate Venture Capital ist ein unverzichtbarer Bestandteil des deutschen Venture
Capital-Ökosystems. Die komplementären Stärken von CVCs und Wagniskapitalgebern
schaffen eine Win-win-Situation für Startups, die von einer breiten Palette an Kompetenzen
profitieren. Eine enge und professionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für die weitere Entwicklung des Start-up-Ökosystems in Deutschland.
Über die Autoren:
Prof. Dr. Dirk Honold hat mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Unterstützung von Deeptech-Unternehmen, unter anderem als serieller Entrepreneur und CFO, und ist in diversen Gremien aktiv. Seine wissenschaftliche Arbeit an der Technischen Hochschule Nürnberg
konzentriert sich auf die Stärkung des Ökosystems der Innovationsund Start-up-Finanzierung mit (C)VC und wird begleitet durch Aktivitäten in verschiedenen Thinktanks, wie den von ihm mitgegründeten und geleiteten AK zur Innovationsfinanzierung und Venture Capital der Schmalenbach-Gesellschaft e.V., auf den diese Publikation zurückgeht.
Dr. Claas Heise hat in seiner über 25-jährigen VC-Erfahrung unter anderem für die VC-Tochter der Deutschen Telekom gearbeitet und mehrere Jahre deren Aktivitäten in den
USA geleitet. Von dort wechselte er 2008 zur NRW.Bank und leitet seitdem NRW.Venture, das VC-Geschäft der Bank. Bevor Claas Heise zum Venture Capital kam, hat er als Physiker mehrere Jahre an renommierten Instituten gearbeitet.
Dr. Bernhard Mohr leitet seit 2012 die Venture Capital-Aktivitäten von Evonik. Er hat mehr als 25 Jahre Berufserfahrung im Bereich der Wagniskapitalfinanzierung und in der chemischen Industrie. Vor seinem Wechsel zu Evonik war er für die BASF-Gruppe in verschiedenen Funktionen in Deutschland und Spanien tätig. Bernhard Mohr ist in verschiedenen Fach- und Aufsichtsgremien tätig und hat Börsengänge und M&A- Transaktionen begleitet.