Strategisches Risikomanagement in Frühphasenfonds

Ergebnisse und Ausblick

Nicholas Bost & Johannes Paul (Technische Universität Dresden)
Nicholas Bost & Johannes Paul (Technische Universität Dresden)

Bildnachweis: Technische Universität Dresden.

An der Technischen Universität (TU) Dresden entsteht in Zusammenarbeit mit führenden deutschen Venture Capital-Gesellschaften eine Studie, die das strategische Risikomanagement in Frühphasenfonds untersucht. Durch die Studie konnte bereits eine Vielzahl praxisrelevanter Erkenntnisse für das Management von Seed-Fonds und Hightech-Start-ups gewonnen werden. Die Erhebung neuer Daten soll nun den Grundstein für die Untersuchung weiterführender Fragestellungen legen und durch neue Erkenntnisse an den bisherigen Erfolg der Studie anknüpfen.

Im Jahr 2016 veröffentlichte das VC Magazin in sechs Ausgaben die Zwischenergebnisse
einer Studie zum strategischen Risikomanagement von Frühphasenfonds. Initiiert wurde das Forschungsprojekt im Jahr 2013 von Prof. Dr. Michael Schefczyk, Inhaber des Lehrstuhls für Entrepreneurship und Innovation an der TU Dresden, und Prof. Dr. Andreas Pinkwart, der zum damaligen Zeitpunkt als Rektor der HHL Leipzig Graduate School of Management fungierte und heute Inhaber des Lehrstuhls für Innovations- und Technologiemanagement an der TU Dresden ist. Ziel der Studie ist es, die spezifischen Einflussfaktoren auf den Erfolg von Frühphasenfinanzierungen zu ermitteln und daraus Handlungsempfehlungen für die Managementpraxis abzuleiten.

Projektvorstellung

Im Rahmen der Studie wurden bislang 139 Technologieunternehmen aus neun
Frühphasenfonds untersucht. Als Grundlage für die Untersuchungen dienten Daten aus den
Jahren 2004 bis 2017, insbesondere aus Entscheidungsakten (etwa Businesspläne und
Entscheidungsvorlagen), sowie aus den laufenden Reportings. Darüber hinaus wurden
Befragungen mit den jeweiligen Investmentmanagern und Gründern durchgeführt. Durch
Kombination dieser Informationsquellen entstand ein Datensatz, der nicht nur ein breites
Spektrum longitudinaler Daten abdeckt, sondern auch eine ausgeprägte inhaltliche Tiefe
aufweist. Dies ermöglicht Zeitverlaufsanalysen, was nach wie vor eine der maßgeblichen
Herausforderungen beziehungsweise Limitationen der empirischen Forschung zu
Frühphasenfinanzierungen ist. Seit ihrem Beginn sind zahlreiche Publikationen aus der
Studie hervorgegangen, darunter neun Fachartikel in führenden wissenschaftlichen
Zeitschriften sowie rund 20 Konferenzbeiträge, die auf nationalen und internationalen
Fachkonferenzen vorgestellt wurden. Die zentralen Erkenntnisse werden im Folgenden kurz
zusammengefasst.

Teamcharakteristika

Das Qualifikations- und Erfahrungsniveau des Gründer- beziehungsweise Managementteams beeinflusst den Erfolg von Portfoliounternehmen maßgeblich. Basierend
auf ihrem individuellen Humankapital können CEOs deutscher Hightech-Start-ups in drei
Typen unterteilt werden: praxisorientierte Techniker, kaufmännische Experten und
Wissenschaftler. Die praxisorientierten Techniker haben einen technischen Hintergrund, oft
ergänzt durch praktische Erfahrung, jedoch häufig ohne akademische Laufbahn, und bringen internationale Expertise sowie starke Führungs-, Sozial- und Organisationskompetenzen mit. Kaufmännische Experten verfügen in der Regel über einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund und ein insgesamt höheres Humankapital als Wissenschaftler, bleiben jedoch bei branchenspezifischer Expertise hinter den Technikern zurück. Wissenschaftler sind stets hoch qualifiziert, meistens promoviert und weisen ausschließlich technische Expertise auf, jedoch kaum interdisziplinäre oder soziale Fähigkeiten. Dementsprechend haben sie zwar den geringsten Unternehmenserfolg, akquirieren jedoch am meisten Kapital.

Vertragsgestaltung

Im Zentrum der Beziehung zwischen Investor und Start-up steht der Beteiligungsvertrag.
Darin stehen Standardklauseln, die in über 80% der Verträge enthalten sind, etwa Garantien, Vesting-Regelungen sowie Informations- und Vetorechte, auch Drag-along- und Tag-along-Klauseln sowie Exit- und Vorverkaufsrechte. Im internationalen Vergleich zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede: Während Put-Optionen in den USA beinahe Standard sind, kommen sie in Deutschland nur selten zum Einsatz. Liquidationspräferenzen hingegen sind in Deutschland in nur etwa zwei Dritteln der Verträge enthalten, in den USA jedoch in nahezu jedem.

Managementunterstützung

Die Studie hat gezeigt, dass Venture Capital-Geber Portfoliounternehmen durch ein breites
Spektrum an Aktivitäten unterstützen. Im Mittelpunkt stehen dabei strategische Eingriffe
(zum Beispiel die Entwicklung von Geschäfts- und Markteintrittsstrategien), Governance-
Maßnahmen (etwa Meilensteinen und Berichterstattung), HR-Maßnahmen (zum Beispiel
Rekrutierung und Coaching) sowie die Unterstützung durch ihr Netzwerk (Investoren- und
Kundenkontakt et cetera). Operative Unterstützung, wie etwa Prozessoptimierung, spielt
aufgrund rechtlicher Vorgaben eine untergeordnete Rolle. Es wird außerdem deutlich, dass
das Unterstützungsangebot der einzelnen Fonds eine große Heterogenität und häufig einen
geringen Systematisierungsgrad aufweist.

Risikomanagement

Im Rahmen der Studie konnten sieben Risikoarten identifiziert werden: finanzielle Risiken,
die vorrangig die Liquidität betreffen und am häufigsten genannt werden; Marktrisiken, die
aufgrund ungünstiger Marktbedingungen oder fehlender Nachfrage auftreten; strategische
Risiken, die aus fehlerhaften Entscheidungen wie etwa einem falschen Markteintritt oder der Wahl eines unpassenden USP resultieren; technologische Risiken, die sich zeigen, wenn
Technologien nicht wie erwartet funktionieren oder Verzögerungen verursachen;
Produktionsrisiken, die Probleme in der Fertigung betreffen; Humankapitalrisiken aufgrund
fehlender Ressourcen sowie rechtliche Risiken im Zusammenhang mit Gesetzen,
Regulierung und geistigem Eigentum. Die Risikoevaluation basiert im Wesentlichen auf
Entscheidungsvorlagen und Reportings und erfolgt zumeist deskriptiv und unsystematisch.

Insolvenzursachen

In der Seed-Phase sind ein hohes Marktrisiko sowie ein Mangel an Neuinvestoren die
häufigsten Insolvenzursachen. Ein hohes Maß an betriebswirtschaftlicher Kompetenz,
Veränderungen im Gründerteam und eine positive Umsatzentwicklung verringern die
Insolvenzwahrscheinlichkeit. Technologiefaktoren stellen in der Frühphase wider Erwarten
kein signifikantes Insolvenzrisiko dar. In der Series A-Phase bleibt das Marktrisiko ein
zentraler Prädiktor, dessen negativer Effekt jedoch durch eine hohe Marketingaktivität
kompensiert werden kann. Analog wirken eine fundierte Finanzplanung, dynamisches
Umsatzwachstum sowie hohe Managementkompetenz der Gründer risikoreduzierend. Im
Kontrast zur Seed-Phase sind Technologiefaktoren ein signifikanter Prädiktor für
Insolvenzen: Wird die Technologieentwicklung in Eigenregie durchgeführt, steigt das Insolvenzrisiko, während die Erfüllung definierter Meilensteine einen protektiven Effekt
aufweist.

Internationalisierung

Die Neigung junger Unternehmen zur Internationalisierung wird positiv durch ein starkes
Patentportfolio und die Höhe der zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen
beeinflusst. Für die Fortschrittlichkeit der Technologie, die Anzahl der vorhandenen
Investoren und spezifische Teammerkmale wie Größe oder Erfahrung der Mitglieder konnten keine positiven Effekte nachgewiesen werden.

Ausblick

Diese Zusammenfassung vermittelt einen Überblick über die wesentlichen inhaltlichen
Perspektiven und zentralen Forschungsergebnisse der Studie. Gleichzeitig repräsentiert sie
jedoch nur einen kleinen Teil der Erkenntnisse, die im Rahmen zahlreicher
Einzeluntersuchungen für die Managementpraxis deutscher Frühphasenfonds gewonnen
werden konnten. Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle der NRW.Bank, der
Wissenschaftsförderung der Sparkassen, dem High-Tech Gründerfonds sowie den Seed-
Fonds in Nordrhein-Westfahlen und weiteren Frühphasenfonds für ihre Kooperationsbereitschaft, Unterstützung und die erfolgreiche Zusammenarbeit. Um an
diesen Erfolg anzuknüpfen und im Rahmen weiterführender Untersuchungen neue
Erkenntnisse für das Management von Frühphasenfonds zu sammeln, wird derzeit die
Erhebung neuer Daten geplant. Wir freuen uns auf den Dialog mit der Fachöffentlichkeit und insbesondere auf den Austausch mit interessierten Fonds, die bereit sind, das Projekt durch die Bereitstellung weiterer Daten und das Einbringen neuer praxisrelevanter
Forschungsideen zu unterstützen. Weitere Informationen zum Forschungsprojekt,
ausführliche Zusammenfassungen und Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme finden Sie unter
research.gruenderlehrstuhl.de.

Über die Autoren:

Nicholas Bost ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Entrepreneurship und Innovation an der Technischen Universität Dresden.

Johannes Paul ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Futurelab des TUD|Excellence Center for Innovation, Transfer and Entrepreneurship der Technischen Universität Dresden.