Bildnachweis: HTGF, VC Magazin.
In den letzten 20 Jahren hat sich die Start-up-Landschaft in Deutschland beeindruckend entwickelt. Der High-Tech Gründerfonds (HTGF), der 2025 das 20-jährige Bestehen feiert, spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Mittlerweile in der vierten Fondsgeneration, hat der HTGF in fast 800 Start-ups investiert, etwa in den Entwickler für Fusionsreaktoren Proxima Fusion, den Anbieter von Simulationslösungen SimScale und die Fitnessplattform Egym. Das Team umfasst heute 100 Personen. „Als Investor sind wir eine starke Bank, doch wir müssen uns immer wieder auch neu erfinden, um das Ökosystem zu befeuern“, sagt Geschäftsführerin Romy Schnelle.
Erstmals Start-up-Finanzierung als PPP
Gestartet ist der HTGF in für Start-ups schwierigen Zeiten. „Nach dem Platzen der Dotcom-Bubble war das Ökosystem zusammengebrochen, und Investoren konnten keine neuen Fonds auflegen“, sagt Dr. Alex von Frankenberg, seit 2005 Geschäftsführer. Es gab eine starke Technologiebasis, doch kaum Risikokapital. Marco Winzer, Partner im Life Sciences-Team, war Teil der Arbeitsgruppe, die den HTGF aufgleiste. „Eine wichtige Entscheidung war, den Fonds nicht als klassisches Förderprogramm, sondern als Public Private Partnership (PPP) aufzusetzen“, so Winzer. Die Kombination von privaten und öffentlichen Mitteln für die Technologieförderung war ein europaweites Novum. „Der HTGF denkt, agiert und finanziert wie ein privater Investor und kann zusätzlich Risiken tragen, die ein rein privater Fonds nicht übernehmen würde“, sagt Winzer. Das Modell stieß auf großes Interesse in anderen europäischen Staaten. 2005 startete der HTGF mit der Maßgabe, pro Jahr bis zu 50 Startups zu finanzieren. „Wir waren Eisbrecher und haben Vertrauen in
den Markt gebracht – und so den Boden für Neugründungen und Folgefinanzierungen bereitet.“ Der Fonds unterstützt auch Startups, die nicht klassischen Venture Capital-Mustern entsprechen, etwa mit langsamerer Skalierung, längeren Entwicklungszyklen oder Technologien jenseits der Trendthemen.

Motor für den Tech-Standort Deutschland
„Unser Dealflow kam zunächst rein aus Universitäten sowie Fraunhofer-, Max-Planck- und Helmholtz-Instituten“, sagt Schnelle. „Heute arbeiten wir mit über 100 Acceleratoren und Start-up Factories, Gründerzentren wie UnternehmerTUM und regionalen Ökosystemen wie der Aachener Region zusammen.“ Mit einer aktiven Business Angels-Szene, Venture Capital-Fonds, Corporate Venture Capitalisten, Start-up-Einheiten an Hochschulen und Förderprogrammen für Forschungstransfer wie den EXIST-Stipendien haben sich auch die Finanzierungsmöglichkeiten verbessert. Doch der HTGF bleibt der wichtigste Frühphaseninvestor und Motor für den Tech-Standort Deutschland – auch über die Investments hinaus. „An vielen Stellen konnten wir helfen, nicht nur privates, sondern auch öffentliches Kapital für die Start-up-Finanzierung zu mobilisieren“, berichtet von Frankenberg. Über 20 HTGF-Alumni sind mittlerweile General Partner in eigenen Wagniskapitalfonds oder Geschäftsführer bei CVCs und tragen so weiter zur Entwicklung der Investmentlandschaft bei. Dass Spitzenunternehmen heute Anschlussfinanzierungen
mit echten Auswahlmöglichkeiten und großen Volumina erhalten, sei ein entscheidender Erfolg, so von Frankenberg.
Corporate Partners eng eingebunden
Die Zusammenarbeit mit den Corporate Partners wurde über die Jahre weiter vertieft. Beim ersten Fonds war ein Investment in den HTGF im Rahmen einer Public Private Partnership für einige Unternehmen noch Neuland. Heute überzeugen Mehrwerte, vom Zugang zu neuen Technologien über Kooperationsmöglichkeiten mit Portfoliounternehmen bis hin zu den wirtschaftlichen Erfolgen. „Nachhaltige Mobilisierung von privatem Kapital gelingt nur über substanziellen Nutzen“, so von Frankenberg. Im Fonds IV sind 45 Unternehmen mit knapp 150 Mio. EUR investiert, davon 29 Mittelständler und fünf Family Offices. „Jedes Unternehmen hat zwei feste persönliche Ansprechpartner, die es bei jeweils passenden Themen aktiv einbinden“, sagt Winzer.
Performance im Topquartil
Profitabilität war anfangs kein zentrales Ziel. Die Initiatoren rechneten damit, dass die Hälfte des Kapitals verloren gehen könnte. Doch viele Beteiligungen liefen gut. Nicht zuletzt mit dem Unicorn-Exit der Biotech-Firma MYR Ende 2020, bei dem rund 150 Mio. EUR zurückflossen, wurde deutlich, dass der Fonds I eine starke Performance liefern würde. Von insgesamt 272 Unternehmen sind noch 30 im Portfolio. „Die Rendite liegt europaweit im ersten Quartil, und Fonds II und III entwickeln sich tendenziell noch besser“, sagt von Frankenberg. Knapp 20% der Mittel investiert der HTGF außerhalb Deutschlands, überwiegend in den Benelux-Ländern, Frankreich, Österreich und der Schweiz. Zudem gibt es Beteiligungen in Portugal, Litauen und Italien. Die Verwertung von Grundlagenforschung dürfe sich nicht in nationalstaatlichem Denken verlieren, so Winzer.
Opportunity Fund für schnelleres Wachstum und IPOs
Trotz aller Fortschritte blieben Schwachstellen im Finanzierungssystem. „In der ganz frühen Phase tun sich Investoren häufig schwer, das langfristige Potenzial zu erkennen“, erklärt von Frankenberg. In Wachstumsrunden, in denen internationale Wettbewerber häufig größere Summen einsammeln können, bleiben Start-ups aus Deutschland oft unter ihren Möglichkeiten. Das Gleiche gilt für Börsengänge. Der 660 Mio. EUR schwere, 2024 gestartete Wachstumsfonds HTGF Opportunity soll helfen, diese Lücke zu füllen, und stellt eine wesentliche Weiterentwicklung für den HTGF dar. Die Mittel stammen aus dem Zukunftsfonds und dem ERP-Sondervermögen. „Damit wollen wir den wachstumsstärksten Unternehmen aus unserem Portfolio helfen, international marktführende Positionen zu erreichen und zum IPO zu gelangen.“ Im kommenden Jahr startet das Fundraising für die fünfte Fondsgeneration. „Wir stehen nicht still. Damit werden wir weiter Gründerinnen und Gründer dabei unterstützen, mit ihren Ideen und Technologien die Welt zu verändern“, betont Schnelle.