Förderung als geopolitischer Hebel: Was Europas Tech-Investments jetzt brauchen

Matthias Hecht, Pierre Dominique Ostrowski, Stefan Höhn & Dr. Philipp Nägelein (Zebra Embassy)
Matthias Hecht, Pierre Dominique Ostrowski, Stefan Höhn & Dr. Philipp Nägelein (Zebra Embassy)

Bildnachweis: Zebra Embassy, VentureCapital Magazin, Pixabay.

Europa will resilienter, digitaler, unabhängiger werden. Besonders in strategischen Feldern wie KI, Energie, Defens oder Cybersecurity gelten Startups als Schlüsselakteure. Doch während die politischen Ambitionen klar formuliert sind, bleibt die operative Realität eine andere: Die Förderpraxis ist zu oft zu langsam, zu starr, zu unberechenbar. Was eigentlich Wachstum ermöglichen soll, wird selbst zum Risiko. Gerade bei Tech-Startups mit internationalem Anspruch zeigt sich: Die größten Unsicherheiten liegen nicht im Produkt – sondern in der Förderbürokratie.

Fördermittel als Standortfaktor

Für Investoren sind öffentliche Zuschüsse längst mehr als ein Add-on. Sie sichern in frühen Phasen Liquidität, unterstützen Skalierung und signalisieren: Dieses Unternehmen wurde staatlich geprüft. Das schafft Vertrauen. Doch diese Logik funktioniert nur, wenn Förderung planbar, verlässlich und investorenkompatibel ist. In der Praxis jedoch erleben wir häufig:

  • Intransparente Bearbeitungszeiten – teils über neun Monate
  • Uneinheitliche Bewertungspraxis – abhängig von Region und Projektträger
  • Keine verlässlichen Auszahlungszeitpunkte – was Reporting und Cashflow-Planung erschwert
  • Sprache & Methodik als Hindernis – etwa bei englischen Unterlagen oder agiler Entwicklung

Das Ergebnis: Aus einem strategischen Hebel wird ein Reputations- und Planungsrisiko. Und Europa verliert eines seiner wirksamsten Instrumente im Standortwettbewerb.

Investitionsklima unter Druck

Aus unserer Arbeit mit Tech-Investoren wissen wir: Je unberechenbarer die Förderpraxis, desto schwieriger die Investitionsentscheidung. Immer wieder erleben wir Fälle, in denen etwa rückwirkend beantragte Fördermittel trotz formaler Bewilligung nachträglich gekürzt oder gestrichen werden – etwa wegen Detailfragen zur internen Dokumentation oder methodischen Auslegung.

Die Folge: Kapital fließt nicht allein in Ideen, sondern in verlässliche Rahmenbedingungen. Wenn Fördermittel nicht als stabile Finanzierungssäule wahrgenommen werden, sinkt die
Investitionsbereitschaft – oft nicht erst bei Folgefinanzierungen, sondern schon im Screening-Prozess.

Was sich ändern muss – konkret und umsetzbar

Die gute Nachricht: Es braucht keine Revolution. Die größten Hebel sind strukturell, pragmatisch und administrativ realisierbar. Vier Punkte, die den Unterschied machen:

1. Einheitliche Fristen und Prüfstandards

90 Tage als Maximalfrist für Prüfungen – mit klar geregelten Rückfragenprozessen.

2. Digitale Verfahren ohne Medienbrüche

Keine Ausdruckpflicht, kein Fax, keine Doppelablagen – sondern ein durchgängig digitaler Prozess.

3. Anerkennung realer Entwicklungspraxis

Agil, iterativ, international: Methoden wie Scrum, UX-Zyklen oder Machine Learning müssen
förderfähig sein. Englisch muss als Standardsprache akzeptiert werden.

4. Vertrauen in externe Fachprüfungen

Wenn Programme bereits qualifizierte Stellen (z.B. BSFZ) einbinden, sollten deren
Bewertungen gelten – statt erneuter Prüfung durch das Finanzamt.

Diese Forderungen sind kein abstrakter Wunschzettel, sondern orientieren sich an dem, was in anderen Innovationsstandorten längst Praxis ist.

VentureCapital Magazin 04/2025 online!
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Förderung als geopolitischer Hebel

Wer Europas technologische Souveränität sichern will, darf staatliche Förderung nicht länger als rein administrative Aufgabe sehen – sondern muss sie als strategisches Instrument begreifen. In einer Welt, in der Kapitalflüsse, Lieferketten und Sicherheitsfragen neu verhandelt werden, wird die Fähigkeit zur eigenständigen Finanzierung entscheidend. Resilienz entsteht nicht durch Appelle, sondern durch handlungsfähige Strukturen. Ob KI, Verteidigungstechnologie oder Energieinfrastruktur – die gezielte Förderung europäischer Schlüsseltechnologien ist ein geopolitischer Imperativ.

Und genau deshalb ist diese Debatte kein Nischenthema für Verwaltungsprofis, sondern ein zentraler Test für die wirtschaftspolitische Ernsthaftigkeit in Europa. Es geht dabei um mehr als Einzelfälle – sondern um die Frage, wie ernst wir es mit technologischem Fortschritt wirklich meinen. Gerade forschungsintensive Startups brauchen Verlässlichkeit, Geschwindigkeit und Transparenz – nicht irgendwann, sondern jetzt.

Klarheit, Geschwindigkeit und Vertrauen sind kein Komfort – sie sind Voraussetzung dafür, dass Kapital dorthin fließt, wo Europa es strategisch braucht: in zukunftsfähige Technologien, in eigenständige Wertschöpfung, in belastbare Innovationsökosysteme. Eine breite, fundierte öffentliche Debatte könnte der entscheidende Impuls für echte Reformen sein. Und ein überfälliges Signal an Politik und Verwaltung.

Über den Autor:

Dr. Philipp Nägelein ist Managing Partner bei der Zebra Embassy GmbH, einem 2021
in München gegründeten Beratungsunternehmen. Zebra Embassy hat mehr als 300 Startups und Scale-ups begleitet und dabei ein Fördervolumen von über 150 Millionen Euro mobilisiert. Die Mission: öffentliche Finanzierung effizienter, strategischer und zugänglicher machen – für eine resilientere Innovationslandschaft in Europa.