Interview mit Jürgen Böhm und Jürgen Gallmann, Business Angels, und Dr. Marcus Gulder, BayBG

VC Magazin: Business Angels agieren oftmals im Verborgenen. Wie gelingt Ihnen die Ansprache potenzieller privater Co-Investoren?

Gulder: Die Ansprache ist tatsächlich nicht einfach. Nur etwa ein Viertel der aktiven Angels sind in offiziellen Netzwerken organisiert, der Rest muss und will gefunden werden. Die gesamte Beteiligungsbranche ist daran interessiert, die Business Angel-Kultur in Deutschland weiterzuentwickeln. Wir versuchen dazu unseren Beitrag zu leisten, sei es über Veröffentlichungen, das Sponsoring von Veranstaltungen oder durch Vorträge. Dabei werben wir allgemein für gemeinsame Investments mit institutionellen Investoren und gezielt für eine Zusammenarbeit mit der BayBG. Letztendlich ist es aber die persönliche Empfehlung aus dem eigenen Netzwerk, die für jede Art von Investor am meisten zählt. Jeder Business Angel, der mit uns gute Erfahrungen gemacht hat, kennt weitere Privatinvestoren in seinem Umfeld, die bislang noch nicht zu unserem Netzwerk gezählt haben.

VC Magazin: Auf welche Vorbehalte stoßen Sie?

Gulder: Unserer Erfahrung nach zeigen Business Angels oft eine ganz natürliche und verständliche Skepsis gegenüber institutionellen Investoren, die Kapital von Dritten verwalten und ihre Entscheidungen in Investmentgremien treffen. Angels sind Unternehmertypen, denen es darum geht, Firmen langfristig aufzubauen. Institutionelle Investoren sind ihnen wegen ihrer von den Geldgebern vorgegebenen Rendite- und Exit-Orientierung oftmals suspekt. Privatinvestoren, die ihr eigenes Geld investieren, können Entscheidungen ohne weiteren Abstimmungsbedarf schnell und pragmatisch treffen. Für uns als BayBG gilt es in der Zusammenarbeit mit einem Business Angel als verlässlicher, kapitalstarker Investor und unternehmerisch denkender Sparringspartner für das Management zu überzeugen, indem wir unsere Entscheidungen schnell und im Interesse des Unternehmens treffen. Dazu gehört es auch, dass auch wir uns in der Zusammenarbeit mit Co-Investoren um Kompromisse bemühen und uns auch einmal einer Mehrheitsentscheidung beugen.

VC Magazin: Herr Böhm, Herr Gallmann: Wie schätzen Sie die Arbeit von Business Angels-Netzwerken ein? Generieren Sie dadurch Dealflow?

Böhm: Netzwerke wie evobis in München machen sicher einen guten Job. Teilweise bin ich bei anderen Netzwerktreffen jedoch überrascht gewesen über die große Zahl von Beratern und „Fallen Angels“, also ehemalige Manager, die aus Unternehmen aussteigen mussten und jetzt andere Betätigungsfelder suchen.
Gallmann: Ich hatte bislang kaum Zeit, mich auf solchen Veranstaltungen umzusehen. Zumindest um sich gelegentlich Input und Tipps zu holen, können sie aber interessant sein. Ich bin immer wieder mal bei Veranstaltungen von evobis oder dem Netzwerk Nordbayern und erhalte viel Input zu interessanten Unternehmen über mein Engagement beim Inkubator UnternehmerTUM.

VC Magazin: Viele Business Angels hadern mit den steuerlichen Rahmenbedingungen für Angel Investments in Deutschland. Welche Verbesserungen würden Ihrer Meinung nach die Tätigkeit von Angels erleichtern?

Gallmann: Zunächst einmal sollten Business Angels und Wagniskapitalgesellschaften in der steuerlichen Behandlung gleichgestellt werden, was momentan nicht der Fall ist. Wenn ein Business Angel regelmäßig in Unternehmen investiert und immer wieder auch an einem Exit partizipiert, dann fällt dies in Deutschland unter den Mantel der Gewerblichkeit, was ein Unding ist. Außerdem halte ich es für sinnvoll, wenn Veräußerungsgewinne bei einem Reinvestment innerhalb von zwei Jahren mit einem niedrigen einstelligen Steuersatz belastet werden. Damit könnte man vielleicht bei den Business Angels und Privatinvestoren noch etwas mehr an Investitionsdynamik erzeugen, und die Start-up-Szene bzw. die gesamte Volkswirtschaft würden davon profitieren.
Gulder: Es stimmt mich für die Zukunft zuversichtlich, dass der Gesetzgeber im März 2013 – wenn auch erst nach massiven Protesten u.a. aus der Gründerszene – an der für Business Angels so wichtigen Steuerfreiheit für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften festgehalten hat. Wie ein mustergültiges System zur steuerlichen Förderung der Gründerfinanzierung aussehen und was damit bewirkt werden könnte, zeigt uns Großbritannien auf. Dort können Business Angels seit fast 20 Jahren Prozentsätze von 20 bis zu 50% ihrer Investments in Unternehmen, die bestimmte Auflagen erfüllen, direkt von ihrer Einkommensteuer abziehen. Entsprechend liegt das Investitionsvolumen der britischen Business Angels auch deutlich über den jährlichen Investments der deutschen Privatinvestoren – Schätzungen gehen vom Faktor 2 bis 3 aus.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Zu den Gesprächspartnern:
Jürgen Böhm ist derzeit an sieben Start-ups beteiligt, u.a. HolidayInsider, Weptun und stylondo.com. Vor seiner Tätigkeit als Privatinvestor war er Mitgründer von ImmobilienScout24 und Mitglied der Geschäftsführung von Apple Computer in Deutschland. Jürgen Gallmann hat die Software-Group der IBM in Zentral-Europa geführt, war Geschäftsführer von Microsoft Deutschland, Chef von Avaya in Europa und CEO und Gesellschafter der visionapp AG. Er hält derzeit drei Beteiligungen als Business Angel, darunter die evidanza AG und die eGym GmbH. Dr. Marcus Gulder leitet die Venture Capital-Aktivitäten der BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft mbH, München.